29.07.2018 ARD Mittagsmagazin mit Schwerpunkt Videoüberwachung

Ein Jahr Überwachungs-Bahnhof Berlin Südkreuz

In zwei Tagen endet das Projekt der Deutschen Bahn, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei am Bahnhof Südkreuz. Ein Jahr lang wurde dort mit Freiwilligen die Erkennung und Verfolgung durch eine Software zur Gesichtserkennung erprobt. Das ist eine Videoüberwachung der Stufe 3 nach der normalen Beobachtung und der Speicherung, die durch die Verfolgung auch ein Bewegungsprofil der Menschen errechnen und abspeichern kann.

Aktion Freiheit statt Angst hat zum Start des Projekts und im letzten November mit Aktionen vor Ort auf die Gefahren für unsere Privatsphäre und unsere Grundrechte hingewiesen. Im Frühjahr haben wir den Projektträgern einen umfangreichen Fragen- und Forderungskatalog zugestellt aber nach 4 Monaten nur eine ungenügende Antwort darauf erhalten.

Anlässlich des Ende des Projekts wird sich das Mittagsmagazin der ARD am Dienstag um 13h mit dem Thema Videoüberwachung beschäftigen, Zusammen mit Vertretern von Digitale Freiheit und Endstation haben wir in der Sendung unseren Standpunkt zu diesem Thema vertreten. Hier eine Sammlung unserer Argumente:

Argumente gegen Videoüberwachung

Inhalt und Ziele des Projekts am Bahnhof Südkreuz sind immer noch so unklar wie vor einem Jahr

Das Projekt wird aus öffentlichen Geldern finanziert. Das erfordert Transparenz aber selbst das Datenschutzkonzept bleibt geheim.
Wir haben uns selbst kundig machen müssen, wir haben die Kameras gezählt und 120 Kameras auf einem Bahnhof katalogisiert.
Keine Maus bleibt unentdeckt auf dem Bahnhof Südkreuz!
Wir haben einen Fragen- und Forderungskatalog zu dem Überwachungsprojekt entwickelt.
Wir haben auf den Fragenkatalog nur sehr wenige und völlig unzureichende Antworten bekommen!

Ein Ziel des Projekts ist die Gesichtserkennung mittels biometrischer Fotos

Es besteht die Gefahr, dass dafür nach dem "Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises" vom April 2017 auf unser aller biometrischen Fotos zugegriffen werden soll, die wir zur Erstellung unserer Personalausweise/Pässe abgeben mussten.
2003 bei der Einführung der biometrischen Fotos für Personaldokumente hatte man uns versprochen, dass es keine zentrale Speicherung dieser Daten und keine andere Nutzung als die Herstellung der Ausweise geben wird.
Der Missbrauch und Diebstahl von biometrischen Daten in einer zentralen Datenbank ist nur eine Frage der Zeit.
Die Gefahr durch Cyberkriminalität ist hoch aktuell.
Wer soll konkret bei einem möglichen Wirkbetrieb auf die Daten noch zugreifen dürfen?
Sollen das auch die Mitarbeiter der privaten DB-Security sein? Ein Vermischung staatlicher Aufgaben und Hilfsdienste durch private Unternehmen ist nicht hinnehmbar!

Videoüberwachung ist nutzlos

Ein Reihe von älteren Studien zu Auswirkungen von Videoüberwachung auf die Kriminalitätsrate bestätigen, dass Vidoüberwachung nichts nützt.
Aktuell ist die Studie von Prof Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen über Auswirkungen von Videoüberwachung auf die Kriminalitätsrate in 7 Städten in NRW.
Das Ergebnis auch dieser Studie ist: die Kriminalitätsrate verändert sich nicht durch die Erweiterung der Videoüberwachung.
In London ist das bereits erkannt worden, Kameras werden wieder ausgebaut, weil die vielen Aufnahmen nicht mehr gesichtet werden können.
Eine Kamera beobachtet und speichert und schaut zu!
Aber sie verhindert nichts, sie kommt nicht zur Hilfe, auch weil niemand mehr dahinter am Bildschirm sitzt.
Das kurzsichtige Ziel der Behörden ist Personalabbau und angebliche Einsparungen!

Kosten-Nutzen Rechnung

Videoüberwachung ist teuer
Es entsteht stets ein großer technischer Aufwand durch die Anschaffung, Installation, Wartung und den Betrieb der Anlagen, wie Backup u.ä.
Bei software-gestützten Systemen (das sind inzwischen alle) sind ständig Updates einzupflegen und die Funktion zu testen.
Besser für die wirkliche Sicherheit der Menschen wäre ausgebildetes Personal vor Ort.
WIR fordern mehr menschliches und gut ausgebildetes Personal!

Folgen von Videoüberwachung

Die Folge von Beobachtung ist eine Verhaltensänderung der Menschen.
Ständige Beobachtung verunsichert und führt zu Verhaltensänderung, die im ersten Stadium zu Anpassung führt.
Eine weitere Steigerung der Überwachung kann zu aggressivem Verhalten und schließlich zu Rebellion führen.
Es ist ein Unterschied ob Menschen Menschen anschauen oder wenn Kameras auf Menschen gerichtet sind.
Der Redner von Digitale Freiheit wies auch das Argument "Ich habe ja nichts zu verbergen" entschieden zurück. Jeder Mensch hat eine Privatsphäre, die allein auf Grund der Menschenwürde (Art. 1 GG) zu schützen ist.

Falsch-Identifikation - False positives

Jeder Algorithmus macht Fehler.
Falsch Identifizierte (False positives) müssen dann ihre Unschuld beweisen.
Dies ist eine Umkehrung der grundrechtlich geschützten Unschuldsvermutung.
Der frühere Innenminister De Maiziere nannte im Herbst 2017 eine Erkennungsrate von 70% beim Südkreuz Piloten einen Erfolg.
In einem realen Szenarion würde dies am Bahnhof Südkreuz täglich zu Hunderten falsch Erkannten führen.
In Großbritannien sollten im Herbst 2017 bei Fußballspielen Hooligans durch "intelligente" Gesichterkennung identifiziert werden.
Die Versuche waren mit Fehlerraten von 92 und 98% behaftet.
Ein Versuch im Mainzer Hauptbahnhof wurde vor 10 Jahren wegen Erkenungsraten unter 50% abgebrochen.
Schon einfache "Gegenmaßnahmen" wie eine Sonnenbrille, ein angeklebter Bart, eine Kapuze oder ein Schal senken die Erkennungsrate auf Null.
Im Gegensatz zu dem riesigen finanziellen Aufwand für die System können bereits kleine Aufwände mit geringen Kosten zu 100%-igem „unerkannt bleiben“ führen.
Das Argument „mehr Sicherheit“ wird zu einem inhaltsleeren Versprechen!

Was bleibt?

Kameras sind passiv.
Kameras hemmen die Zivilcourage von Menschen, die ein Verbrechen mitansehen, da sie davon ausgehen, dass "das ja gesehen wird und Hilfe kommen wird".
Kameras verhindern keine Straftaten!
Also sollen wir Grundrechtseinschränkungen nur wegen einer angeblich besseren Aufklärung hinnehmen? Wir sagen NEIN!

Grundrechtseingriffe durch Videoüberwachung

Wir kennen 3 Stufen von Videoüberwachung: Beobachtung, Aufzeichnung, Verfolgung
Der Grundrechtseingriff wird mit jeder Stufe stärker.
Ob ein Grundrechtseingriff geduldet werden muss, wird an Hand der Verhältnismäßigkeit geprüft.
Die Verfolgung über mehrere Kameras ermöglicht, dass Bewegungsprofile erstellt werden können.
Sobald man eine Stufe akzeptiert, wird man gedrängt auch pauschal alle künftig möglichen Überwachungstechnologien zu legalisieren.
Der deutsche Anwaltsverein stellt dazu fest: „Das Vorhandensein einer Vielzahl von Video­überwachungsanlagen führt zu einem diffusen Gefühl des permanenten Überwachtwerdens. Dieses stellt bereits einen Eingriff in grundrechtliche Belange dar.“
Genau eine solche Formulierung stammt aus verschiedenen Urteilen der Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung (VDS), zum Lauschangriff und zur Onlinedurchsuchung. Es wäre zu erwarten, dass das BVerfG dies auch für die Videoüberwachung so sieht, denn die Überwachungsgesamtrechnung hatte nach Ansicht der Richter bereits beim Urteil zur VDS die zulässige Obergrenze erreicht.
Auch die Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs nur zur angeblich "leichteren" Aufklärung ist fraglich.
Die Gesichtserkennung hebt die Anonymität der Menschen in der Öffentlichkeit auf.
Spätestens an dieser Stelle wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für jeden Beobachteten verletzt, Art. 2 GG
Das Persönlichkeitsrecht, in diesem Fall das Recht am eigenen Bild wird in jedem Fall verletzt. (Allerdings kein Grundrecht)
Die Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG, wird durch eine mögliche Identifikation der Teilnehmer ebenfalls verletzt.
Den Menschen wird die Möglichkeit genommen sich unbeobachtet zu bewegen, Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 GG

Der Link zum ARD Mittagsmagazin https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/index.html

Mehr zum Überwachungs-Projekt Südkreuz bei https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6343-20171001-videoueberwachung-ein-eingriff-in-die-informationelle-selbstbestimmung.htm
und https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6104-20170801-buergerfahndung-suedkreuz.htm
und der Fragen- und Forderungskatalog https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6470-20180507-fragen-und-forderungskatalog-zum-pilotprojekt-suedkreuz.htm

 


Kategorie[26]: Verbraucher- & ArbeitnehmerInnen-Datenschutz Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/2Wz
Link zu dieser Seite: https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6572-20180729-ard-mittagsmagazin-mit-schwerpunkt-videoueberwachung.htm
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Erstellt: 2018-07-29 08:03:01
Aufrufe: 1607

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