Was ist beim Daten-Teilen zu beachten?
Hinter der Überschrift der zweitägigen Konferenz des Forum Privatheit "Datenkapitalismus by Default" am 5. und 6. Oktober in Berlin stand natürlich kein Ausrufezeichen, aber es war auf der anderen Seite auch nicht notwendig ein Fragezeichen dahinter zu setzen. Es ist leider eine Tatsache, dass mit unseren Daten die besten Geschäfte gemacht werden - wir leben im Datenkapitalismus. Dies wurde in allen Vorträgen deutlich.
Überblick
Die Vorträge und Ergebnisse der 9. Jahreskonferenz, an der Aktion Freiheit statt Angst e.V. seit mehr als 6 Jahren teilnimmt, werden demnächst dort im Web sichtbar sein. Wir beschränken uns auf eine Zusammenfassung und danach darauf, was wir gelernt haben. Für das Forum am wichtigsten ist die Tatsache, dass das Forum zu einer Plattform wird. Am Forum waren bisher acht Institutionen beteiligt. Jetzt kommen weitere hinzu und die Förderung durch das Ministerium für Forschung und Bildung wird verstärkt weitergehen.
Der Auftritt in sozialen Netzwerken wird demnächst vollständig auf Mastodon umgestellt. Der Auftritt in Twitter oder X wird dagegen aufgegeben auch wegen des Gebaren seines neuen Besitzers. Am 15. Dezember 2023 wird in Frankfurt am Main das 40-jährige Jubiläum des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Volkszählung gebührend gefeiert werden.
Hervorzuheben sind die drei Keynotes
- Praktische Konkordanz und Kohärenz von Inividualrechten und öffentlichem Interesse im EU Recht der persönlichen Daten von Paul Nemitz (Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucherschutz)
- Europäische Suche? Vom Datenkapitalismus zur Suchmaschinen-Diversität von Astrid Mager (Österreichische Akademie der Wissenschaften)
- The winner takes it all? - Selbstbestimmung und Fairness beim Teilen von Daten von Ulrich Kelber (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und Informationsfreiheit)
In allen 3 Vorträgen war es keine Frage ob die Übermacht der Big5, Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft (GAFAM), uns wirtschaftlich und bei der Bewahrung unserer Privatsphäre bedroht, sondern welche Möglichkeiten wir haben, dem zu entkommen und welche Maßnahmen dafür auf den jeweiligen Ebenen notwendig sind.
Was gab es Neues?
Für die Inhalte der Vorträge verweisen wir auf die verlinkte Seite. Es gab auch wieder viele Zusammenfassungen der Forschungsergebnisse dieses interdisziplinären Forums, die ebenfalls online zur Verfügung stehen. Die "dickeren" Veröffentlichungen lagen zumindest zur Ansicht vor (s. Fotos).
Neue EU Initiativen
Folgende neue Verordnungen/Richtlinien sind im Entstehen oder gerade verabschiedet worden.
- Data Service Act - DSA: gültig seit Anfang Sommer 23
- Data Act - DA: kurz vor letzten Änderungen
- Data Governance Act - DGA: gültig seit 23.9.23
- Artificial Intelligence Act AIA: noch in der Diskussion, Abstimmung frühstens 2024
DSA: wichtig: die Big Five sollen sich nicht selbst präferieren dürfen. Unsere Erkenntnisse bisher siehe Der Digital Services Act ist nun Gesetz und andererseits DSA birgt Gefahr von Netzsperren .
DA: Daten sind für alle da. Daten teilen kann ein Vorteil sein, muss aber geregelt passieren. Daten sind kein Eigentum der Firmen, die sie (zufälligerweise) haben.
DGA: legt fest, dass öffentliche Daten anonym sein müssen. Es kann Daten-Mittler geben, Eine altruistische Datenspende wird eingeführt. Sie beruht auf DGA Art. 2 (16) Voluntary Sharing
AIA: Im bisherigen Text fehlen die Klagerechte des Einzelnen. Alle anderen bisher festgelegten Vorschriften sind eigentlich sowieso selbstverständlich und beruhen auf unserer Ethik.
Aus der Tatsache, dass der KI Act keine Individualrechte enthält folgt, dass die Datenschutzbeauftragten dringend aktiv werden müssen. Auch die Zivilgesellschaft muss klagen können und die Technik muss das unterstützen können. Das gilt allgemein auch für die anderen Richtlinien. Ein erster Einstieg wäre, dass auch SAP Module vom Unternehmen bereitstellt werden, die der Betriebsrat oder der Datenschutzbeauftragte nutzen können, um die Datenverarbeitung im Unternehmen überhaupt durchblicken zu können.
Merksätze
Die Big Five machen uns eine kostenlose Kultur vor, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Deren Machtkonzentration ist negativ für Innovation und natürlich auch für die Individualrechte des Einzelnen.
Bürger sind Grundrechtsträger und nicht Wirtschaftsgut.
Die Überwachungsgesamtrechnung steigt auch in den letzten Jahren ständig weiter an.
Google ist gelebte Ideologie des Kapitalismus, eine Realisierung von Profit.
Wichtig ist das Primat der Politik über die jeweiligen Geschäftsmodelle, zum Beispiel das der Big5.
Bei den Big5 liegen ungefähr 500-1000 Daten pro Person. Damit ist mehr möglich als eine Vorhersage des Verhalten des Einzelnen. Es ist ein Einstieg zu optimaler Manipulation der Menschen. Damit wird eine freie Gesellschaft ad absurdum geführt. Der EuGH hat bereits einen solchen Chilling Effect festgestellt, der im Ergebnis die Menschen daran hindert für ihre Rechte einzustehen.
Daten-Treuhänder und Datengenossenschaften
Der DGA reguliert Daten-Vermittlungsdienste. Menschen oder Unternehmen einigen sich per Vertrag darauf ihre Daten dem Dienst für bestimmte Zwecke zur Verfügung zu stellen. Können dadurch künftig auch andere für mich in eine Datenverarbeitung/-nutzung einwilligen?
Eine Einwilligung kann nach DSGVO jederzeit widerrufen werden, Verträge jedoch nicht. Was ergibt sich daraus?
Ein Projekt berichtete über Daten-Treuhänder im Journalismus. Für einen solchen "Fair"-dienst ist das Vertrauen der Nutzer das wichtigste. Wahre und falsche Nachrichten müssen unterschieden werden können. Das Teilen von Daten ist nicht nur ein Problem für den Datenschutz. Weitere Probleme können durch Diskriminierung, Verzerrung, oder Copyright Ansprüche entstehen. Hier sind die großen Verlage, z.B. Elsvier oder Springer maßgebende Hindernisse.
Aufgrund der DSGVO wurden in der EU bisher Strafen in Höhe von 2,8 Milliarden € verhängt. Es stellt sich die Frage, ob mit diesen Strafen gemeinnützige Daten-Vermittlungsdienste finanziert werden können. Eine solche Finanzierung wäre zu unzuverlässig, da gegen die Strafen oft über Jahre geklagt wird.
Gefahren bei Gesundheitsdaten
Die Anonymisierung von Gesundheitsdaten im geplanten EU-Gesundheitsdatenraum und der Richtlinie 2016/679 soll mit "vertretbarem Aufwand" erfolgen. Dies kann im Einzelfall unzuverlässig oder nicht ausreichend sein. Der DGA verpflichtet zum Teilen von Daten sofern daraus ein sozialer Mehrwert entsteht. Art. 40 DSA behandelt Forschungsdaten. Trotzdem ist das Opt-Out Modell, welches für die ePA geplant ist, falsch. Das für die ePA geplante Opt-Out aus einer Zwangs-ePA ist nicht rechtskonform und wird sicher im weiteren Klageverfahren als unzulässig gekippt.
Interoperabilität und Portabilität
Nach Art. 20 DSGVO besteht das Recht die eigenen Daten aus einem sozialen Netzwerk in ein anderes zu portieren. Die Vorschrift legt als mögliche Formate dafür fest: CSV, XML, JSON. Die Firmen müssen die Daten eines anfragenden Nutzers innerhalb eines Monats liefern. Nur 26 % der Menschen kennen dieses Recht, nur 7 % haben es bisher genutzt, aber 63 % der Menschen haben in ihrem Leben bereits zu einem anderen sozialen Netzwerk gewechselt.
Diejenigen, die ihre Daten angefragt haben, waren erstaunt über die Menge der gelieferten Daten. Allerdings fehlen für den Import in fast allen Fällen die Tools um die Daten in das neue Netzwerk zu importieren. Hier muss nachgearbeitet werden. Der Druck dazu kann nur über mehr nachfragende Nutzer entstehen.
Digitale Nachweise in der öffentlichen Verwaltung
Es gibt bereits folgende Möglichkeiten, um sich im Netz für Dienste zu identifizieren:
- Die EU Digital Wallet
- Der ePerso
- Die Bund-ID
- Die Möglichkeiten von Facebook, Apple oder Google, die am meisten genutzt werden, die aber eigentlich niemand nutzen sollte.
Alternative Suchmaschinen
Die Suchmaschine ist der Zugang zu Wissen. Im Durchschnitt nutzen in Deutschland 94 % Google als Suchmaschine. Selbst im Kreis der Teilnehmer dieser Konferenz sind es noch 52 %.
- Ecosia nutzt als Suchmaschine Bing von Microsoft.
- Startpage nutzt als Suchmaschine Google.
- Yacy ist eine dezentrale Suchmaschine
- Open Web Index (EU Projekt)
Open Web Web Index der EU
Der Fokus liegt in der Katalogisierung des Wissens in der Forschung. Für die Entwicklung des EU-Index müssen täglich etwa 1000 Entscheidungen getroffen werden. Deshalb geht die Entwicklung nur langsam voran.
Daten als Währung
Beim Bezahlen eines Dienstes durch meine persönlichen Daten - wie es tagtäglich im Netz geschieht - entsteht ein Widerspruch zwischen der digitalen Inhalte-Richtlinie aus dem Jahr 2022, die im BGB §312 und §327 in deutsches Recht gegossen wurde, gegenüber der DSGVO. Diese verlangt jederzeit
- die Möglichkeit der Einwilligung und des Widerrufs,
- eine strikte Zweckbindung,
- die Datenminimierung,
- ein Kopplungsverbot.
Also sprechen 4 Tatbestände aus einem Grundrecht (Informationelle Selbstbestimmung) gegen jede Erwägung, das das Bezahlen mit persönlichen Daten überhaupt angedacht wird. Schon allein die Voraussetzung der Informiertheit bei einer Einwilligung würde verlangen, dass der Einzelne den Preis seiner Daten kennt. Die Unmöglichkeit eines Widerrufs wäre das zweite Hindernis, welches nicht beseitigt werden kann.
Sprachassistenten
In diesem Projekt wurden Menschen mit Sprachassistenten nach ihren Vorkehrungen zum Datenschutz gefragt. Die (falschen) Antworten waren wie üblich
- Ich habe nichts zu verbergen.
- Meine Daten sind sowieso irrelevant.
Es entstehen dann in den Entschuldigungen die kleinen Fluchten:
- wenn ich allein sein will, ziehe ich den Stecker,
- vertrauliche Gespräche führe ich nur noch im Freien.
Vergessen wird dabei stets das Handy in der Tasche, welches die gleiche Funktion wie Alexa haben kann. Das Negativ-Super Beispiel war der Nutzer, der über Alexa sein Passwort für seine Smart Home Einstellungen setzt. Vergessen wir nicht, auch wenn, um ein Passwort mit 14 Zeichen zu knacken im Jahr 2020 noch 2 Millionen Jahre notwendig waren, so sind es 2023 lediglich noch 3000 Jahre. Alle Passworte unter 12 Zeichen kann man vergessen, sie sind mit Brute Force (Ausprobieren) innerhalb von Minuten zu knacken.
Fazit
Allen vorgestellten Projekten war gemeinsam der Versuch einen fairen Datenhandel als Gegenmodell zu den Big5 zu entwickeln. Die meisten Initiativen haben jedoch keine Durchsetzungskraft. Der Grund dafür ist, dass der Staat entweder abwartend bleibt oder die Absprachen innerhalb der EU nicht zeitnah getroffen werden.
... und die Mühlen der Justiz mahlen sehr langsam, so dass selbst die offensichtlichsten Verstöße gegen unsere Grundrechte erst nach Jahren geahndet werden. (Vorratsdatenseicherung, BKA Novelle, Schrems gegen Facebook, ...)
Mehr dazu bei https://www.forum-privatheit.de/jahreskonferenz-2023/
Kategorie[26]: Verbraucher- & ArbeitnehmerInnen-Datenschutz Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/3wD
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Erstellt: 2023-10-08 10:14:49 Aufrufe: 603
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