10.04.2019 Unscharfe Gesetzesformulierungen können Jeden treffen
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"Zugänglichmachen von Leistungen zur Begehung von Straftaten"

So heißt der in der Darknet-Diskussion stehende neue §126a, darin steht

(1) Wer Dritten eine internetbasierte Leistung zugänglich macht, deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen, zu fördern oder zu erleichtern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Von Freifunk, VPNs und Darknet ist da keine Rede. Damit könnte in einer "späteren Phase der Überwachungsgesellschaft" auch HTTPS gemeint sein oder das Angebot von e-Briefumschlägen mit einem sicheren Klebstoff.

Auch der Jurist Thomas Stadler stellt in seinem Blog fest:

Die Vorschrift ist so weitgehend formuliert, dass sich praktisch jede beliebige Tätigkeit eines Internet Services Anbieters darunter subsumieren lässt. Das sieht offensichtlich auch die Gesetzesbegründung so, heißt es doch dort, dass die Vorschrift hinsichtlich ihres sachlichen Anwendungsbereichs auch zur Ermöglichung der Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung weit gefasst ist und jegliche internetbasierte Zugänglichmachung von Leistungen erfasst. Wie dann die gebotene Eingrenzung des objektiven Tatbestands auf strafwürdige Sachverhalte erreicht werden soll, erschließt sich mir nicht. ... Ob Inhalte/Dienste, die aus Sicht des Anbieters häufig fremde internetbasierte Leistungen darstellen, darauf ausgerichtet sind, Straftaten zu ermöglichen, kann der technische Anbieter oder der Plattformbetreiber im Regelfall weder prüfen noch beurteilen. Es stellt sich auch die Frage, wie eine solche Regelung mit den Providerprivilegien der §§ 8 ff. TMG, die auf die E-Commerce-Richtlinie zurückgehen, in Einklang zu bringen sein soll.

Das ist nicht die einzige Ungeheuerlichkeit, die in diesem Gesetzesvorschlag enthalten ist. In einer anderen Vorschrift wird das Rechtsstaatsprinzip, dass sich ein Beschuldigter nicht selbst belasten muss ausgehebelt. So wird der bereits mehrfach gescheiterte „digitale Hausfriedensbruch“ mit dem Begriff der "unbefugten Nutzung informationstechnischer Systeme" wiederbelebt und die Weigerung der Herausgabe von Passwörtern mit Ordnungsgeld und Beugehaft bedroht. Er steht im Gesetzesvorschlag als neuer § 163g in der StPO.

Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand Täter oder Teilnehmer einer Straftat im Sinne von § 100g Absatz 1 StPO ist, so dürfen die Staatsanwaltschaft sowie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes auch gegen den Willen des Inhabers auf Nutzerkonten oder Funktionen, die ein Anbieter eines Telekommunikations- oder Telemediendienstes dem Verdächtigen zur Verfügung stellt und mittels derer der Verdächtige im Rahmen der Nutzung des Telekommunikations- oder Telemediendienstes eine dauerhafte virtuelle Identität unterhält, zugreifen. Sie dürfen unter dieser virtuellen Identität mit Dritten in Kontakt treten. Der Verdächtige ist verpflichtet, die zur Nutzung der virtuellen Identität erforderlichen Zugangsdaten herauszugeben. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Zugangsdaten auch herauszugeben sind, wenn sie geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch dürfen die durch Nutzung der Zugangsdaten gewonnenen Erkenntnisse in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Verdächtigen oder einen in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen des Verdächtigen nur mit Zustimmung des Verdächtigen verwendet werden.

Das "kleine Entgegenkommen", dass die durch den Grundrechtsbruch durch den Zwang auf ihn erlangten Ermittlungserkenntnisse nicht gegen ihn selbst verwendet werden, dürfte ihm im Einzelfall nichts nützen, da es unmöglich ist im Verfahren zu argumentieren, welche Beweismittel vorgelegen hätten, wenn er geschwiegen hätte.

Der Jurist Thomas Stadler kommt zu dem Fazit:

Die Vorschrift beinhaltet damit in jedem Fall eine Beschränkung des Grundsatzes „nemo tenetur se ipsum accusare“ und ist deshalb verfassungsrechtlich höchst problematisch.

Unklare Gesetzesformulierungen und Eingriffe in Grundrechte können unser Leben nicht sicherer machen - im Gegenteil, niemand weiß, gegen wen sich Vorschriften richten sollen, die  hinsichtlich ihres sachlichen Anwendungsbereichs völlig offen definiert werden.

Mehr dazu bei https://www.internet-law.de/2019/04/das-geplante-it-sicherheitsgesetz-2-0.html
und https://www.heise.de/ct/artikel/Generalverdacht-Gesetzesvorlage-zu-Darknet-Dienste-Verbot-und-Postgeheimnis-4349583.html
und bei uns https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/6845-20190407-alles-soll-beobachtbar-werden.htm
und der Gesetzesentwurf https://netzpolitik.org/2019/it-sicherheitsgesetz-2-0-wir-veroeffentlichen-den-entwurf-der-das-bsi-zur-hackerbehoerde-machen-soll/#2019-03-27_BMI_Referentenentwurf_IT-Sicherheitsgesetz-2


Kommentar: RE: 20190410 Unscharfe Gesetzesformulierungen können Jeden treffen

Wer Dritten eine internetbasierte Leistung zugänglich macht, deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen, zu fördern oder zu erleichtern
Och menno, wieder nur Internetdienstleister, warum sind von sowas oft keine offline-Firmen betroffen?
Oder anders gesagt: dürfen Firmen rechtswidrige Taten ermöglichen, fördern und erleichtern soweit sie dafür kein Internet benutzen?
Von Freifunk, VPNs und Darknet ist da keine Rede.
Freifunk ist keine Internetdienstleistung, weder Internet noch Dienstleistung 😋
Die Vorschrift ist so weitgehend formuliert, dass sich praktisch jede beliebige Tätigkeit eines Internet Services Anbieters darunter subsumieren lässt.
Ja. Leider steht da "deren Zweck ausgerichtet ist". Es gibt also viel Spielraum für Gerichte auch Mal jemanden davon kommen zu lassen. Dabei hatte ich mich kurz gefreut Strafantrag gegen Polizeien, Staatsanwälte, den Bundestag, Facebook, Alphabet... Also einfach willkürlich gegen alles mögliche, was irgendwas mit Internet macht; zu stellen.

Fi., 10.04.2019 12:23


RE: 20190410 Unscharfe Gesetzesformulierungen können Jeden treffen

Och menno, wieder nur Internetdienstleister, warum sind von sowas oft keine offline-Firmen betroffen?
Oder anders gesagt: dürfen Firmen rechtswidrige Taten ermöglichen, fördern und erleichtern soweit sie dafür kein Internet benutzen?
Ja genau! Das Internet verdirbt alle. Ohne Internet bleibst du frei von Sünde und bringst auch niemand in Versuchung.

In., 10.04.2019 13:02


RE: 20190410 Unscharfe Gesetzesformulierungen können Jeden treffen

Also ich hatte z.B. mal überlegt ob ich einen anonymen/pseudonymen Waren-Austausch-Dienst mache (also sowas wie ein Postfach).
Die Idee war: Leute schicken mir Sendungen einschließlich eines Passworts, andere Leute, die das Passwort kennen können es abholen. Eine der beiden Personen muss eine Gebühr dafür entrichten.
Der Gedanke dahinter, dass sich Sender und Empfänger nicht kennen war dass man jemandem etwas schenken kann ohne dass die Person sagen muss wer sie ist (wegen Stalking etc.). Aber natürlich ließe sich so ein Dienst auch leicht für illegale Warenübergaben nutzen und ich würde sogar behaupten es ist besonders geeignet dafür.
Aber zum Glück offline, puh. Also kann ich das Business noch starten.

De., 10.04.2019 17:12


RE: 20190410 Unscharfe Gesetzesformulierungen können Jeden treffen

Passwort oder Beugehaft: Das Ende des Schweigerechts?
https://www.strafakte.de/gesetzgebung/passwort-beugehaft/

Ra., 10.04.2019 14:50


Category[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link to this page: a-fsa.de/e/32k
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Created: 2019-04-10 10:03:31


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