03.05.2020 Gesetze im Schnellverfahren - demokratische Kontrolle ausgehebelt

Menschenrechtsanwalt kritisiert Grundrechtseinschränkungen

Auch juristisch völlig unbedarft sind uns in den letzten Wochen viele Grundrechtseinschränkungen aufgefallen

Eberhard Schultz, Mitbegründer der Stiftung für soziale Menschenrechte und Partizipation, hat nun in einem ausführlichen und sehr interessantem Interview bei Telepolis seine Besorgnis über die aktuellen Grundrechtseinschränkungen dargelegt ohne eine mögliche Gefährdung durch das Virus abzustreiten.

Erschreckenderweise ist das viel umfassender als gemeinhin wahrgenommen, deshalb ist es wichtig dieses Interview auch im Einzelnen an der Quelle zu lesen. Wir wollen uns nur wenige Punkte herausgreifen.

Beginnen wir mit einer "positiven" Erkenntnis: Der Staat ist handlungsfähig. Eberhard Schultz stellt fest:

Es gibt den erstaunlichen Vorgang, kurzfristig gesetzliche Regelungen zu schaffen, die seit Jahrzehnten mit dem Argument abgewehrt wurden, es sei aufgrund unseres föderativen Systems für die Bundesregierung unmöglich, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen. Jetzt auf einmal wurde kurzfristig zusammen mit den Ländern geregelt, dass z. B. Wohnungen vom Vermieter nicht mehr wie nach bisheriger Gesetzeslage einfach fristlos gekündigt werden können, wenn zwei Monatsmieten von den Mietern nicht gezahlt werden können. Das zeigt, was möglich ist, wenn die Bundesregierung und die Regierungen der Länder die Sache ernst nehmen.

Doch diese Handlungsfähigkeit hört auf halbem Wege auf, man könnte z.B. (wenn man es denn wollte)

  • Obdachlose in die leeren Hotels einquartieren, statt sie gefährdet im Freien und ohne Einhaltung von Distanzvorschriften campieren zu lassen, denn schließlich hat auch Deutschland 1966 im UN-Sozialpakt völkerrechtlich ein verbindliches soziales Menschenrecht auf Wohnen für Alle anerkannt,
  • eine verbindliche Tarifbindung im Pflege- und Krankenhausbetrieben mit den notwendigen Einkommenserhöhungen einführen, statt zum abendliche Klatschen für die "Helden der Arbeit" aufzurufen,
  • u.v.m. (wenn wir an das notwendige Umsteuern in der Klimapolitik denken - Corona wäre selbst mit einer Million Toten ein "Vogelschiss" verglichen mit dem, was eine globale Klimakatastrophe an Opfer kosten wird, denn bereits jetzt verhungern täglich 10.000 Menschen).

Die Negativa, die Liste der Grundrechtseinschränkungen, die schon an  "notstandsmäßige Befugnisse" erinnert, ist dagegen lang

  • die Präsenz und Teilnahme der Abgeordneten im Bundestag wird durch das Abstandsgebot auf ein "Notparlament" verkleinert,
  • politische Entscheidungen laufen über Expertengruppen und Video-Konferenzen, Diskussionen werden unmöglich,
  • Versammlungsfreiheit durch Demonstrationsverbote (Genehmigungszwang statt Anmeldung),
  • Aufenthaltsverbots-Verfügung gegen Demonstranten verstoßen gegen die Grundrechte auf Handlungsfreiheit, Freizügigkeit und Versammlungsfreiheit,
  • Freizügigkeit durch Kontaktverbote und Reisebeschränkungen,
  • Schutz der Familie und der Privatsphäre durch Kontaktverbote,
  • Recht auf Bildung durch Online-Schule mit ihren sozialen und technischen Einschränkungen,
  • Recht auf die informationelle Selbstbestimmung durch Corona Apps oder Datenweitergabe von Gesundheitsdaten an unbefugte Stellen,
  • die gesetzliche Maßnahmen erfolgen im Schnellverfahren - ohne Expertenanhörung und ohne Politik, ja ohne Opposition,
  • der Einsatz des Militärs im Inland ist verfassungsrechtlich fragwürdig, die Bundeswehr darf nicht zur nationalen Sicherheitsreserve im Inland werden,
  • der Begriff des "Gefährders", bisher eines meist mutmaßlichen Islamisten, wird auf diejenigen erweitert, die Einschränkungen und Gebote missachten,
  • die Quarantäne dieser Menschen soll mit technischen Mitteln überwacht werden (Apps oder gar Fußfesseln),
  • die Maskenpflicht, eine totale Kehrtwende zum Verschleierungsverbot vergangener Jahre, nimmt den Menschen ihre Persönlichkeit und "schaltet gleich",
  • Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Masken tragen dürfen, werden in der Öffentlichkeit diskriminiert,
  • das in der "Öffentlichkeit" so heftig und polizeilich durchgesetzte Abstandsgebot wird dagegen in Betrieben überhaupt nicht staatlich überwacht, Masken sind oft nicht vorhanden, schon gar nicht bei osteuropäischen Werkvertragsarbeitern, die nicht nur in der Arbeit eng zusammenkommen, sondern auch in engen 6- und 8-Bett-Zimmern leben müssen,
  • es drohten Maßnahmen des Arbeitszwangs, die nach Art. 12 Abs. 2 Grundgesetz verboten sind,
  • bestimmten Berufsgruppen wie Ärztinnen und Krankenpflegerinnen drohen Grundrechtseinschränkungen im Arbeitsschutzrecht und im kollektiven Arbeitsrecht. Alle drei Lesungen des Bundestages dazu fanden jeweils an einem Tage ohne Aussprache statt, geschweige denn Anhörung von Experten und Beteiligten.
  • ...

Für die Einzelheiten bitte das Interview lesen!

Immerhin hat das BVerfG Mitte April zumindest bei der Versammlungsfreiheit den absoluten Verboten ansatzweise Einhalt geboten und die Prüfung des Einzelfalls gefordert.

Mehr dazu bei https://www.heise.de/tp/features/Coronakrise-Eine-bedrohliche-Entwicklung-fuer-die-Grundrechte-4713370.html
und der Debattenbeitrag der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen in (VDJ) vom 22.4.2020 unter der Überschrift "Demokratie - und Grundrechte-Abbau in der Corona Krise beenden! Verfassungskonformer Gesundheitsschutz muss differenziert und Gefahren bezogen sein"

 


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Erstellt: 2020-05-03 09:44:42
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