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Offener Brief der ehrenamtlichen Berliner Unterstützergruppen angesichts der Situation der Geflüchteten in unserer Stadt
Aktion Freiheit statt Angst dokumentiert als Mitglied im Flüchtlingsrat Berlin den Offenen Brief an den Berliner Senat.
Offener Brief der ehrenamtlichen Berliner Unterstützergruppen angesichts der Situation der Geflüchteten in unserer Stadt
An
den Regierenden Bürgermeister,
die Damen und Herren des Senats,
die Abgeordneten des Abgeordnetenhauses von Berlin,
die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Berliner Bezirke,
die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen von Berlin
und die MitarbeiterInnen des Landes Berlin
Berlin, 10. Februar 2016
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, sehr geehrte VolksvertreterInnen und
MitarbeiterInnen des Landes Berlin,
zur Zeit engagieren sich Tausende von Menschen aller Altersgruppen, aller
Lebenssituationen und aller Religionen ehrenamtlich für ein nachbarschaftliches
Miteinander von bereits länger hier lebenden und neu ankommenden geflüchteten
Menschen.
Wir übernehmen unentgeltlich grundlegende staatliche Versorgungs- und
Beratungsaufgaben. Als Ehrenamtliche können wir jedoch bestenfalls kurzfristige
Notsituationen lindern, nicht aber fehlende staatliche Strukturen ersetzen und
rechtswidrige Missstände ausgleichen. Noch immer werden Geflüchtete obdachlos,
erhalten nicht die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen und sind auf ehrenamtliche
medizinische Versorgung angewiesen. Wir haben in den vergangenen Wochen
enormes Wissen angesammelt, mit dem wir helfen könnten, die Menschen aus den
Hallen in unsere Gesellschaft zu holen. Stattdessen müssen wir viel Zeit darauf
verwenden, staatliches Versagen zu kompensieren.
Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass die staatlichen Aufgaben erfüllt werden.
Suchen Sie trotz Wahlkampf über Partei-, Bezirks- und Zuständigkeitsgrenzen hinweg
nach Lösungen. Nutzen Sie die Chance, mit Geflüchteten und Ehrenamtlichen
Kooperationen einzugehen. Wir wollen helfen, Brücken zu bauen – und nicht Betten.
Dazu ist notwendig:
Unterkünfte
Die Mindeststandards in den Gemeinschaftsunterkünften sind verbindlich einzuhalten.
Eingeschränkte Standards in den Notunterkünften sind höchstens als absolute
Notlösung für wenige Tage akzeptabel. Dort braucht es Privatsphäre,
geschlechtergetrennte Sanitär- und Duschanlagen, Sozialräume, Schließfächer,
Waschmaschinen, Kühlschränke, Internetzugang.
Unterkünfte, in denen diese Mindestbedingungen nicht eingehalten werden können, wie
zum Beispiel die Tempelhofer Hangars, müssen geschlossen werden bzw. dürfen gar
nicht erst eingerichtet werden.
Die medizinische und psychosoziale Versorgung auch von nicht registrierten
BewohnerInnen muss sichergestellt werden. Die Chipkarte muss umgehend an alle
AsylbewerberInnen ausgegeben werden.
Um Missbrauch durch Betreiber vorzubeugen, müssen die mit ihnen vereinbarten
Vertragsbedingungen veröffentlicht werden. Es ist zu kontrollieren und sicherzustellen,
dass die vereinbarten Standards in allen Einrichtungen – auch in jenen für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge – eingehalten werden.
Behörden
Die skandalösen Wartebedingungen beim LaGeSo sind umgehend zu beseitigen.
Menschen dürfen nicht gezwungen sein, sich nächtelang vor einer deutschen Behörde
anzustellen, um die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen und Informationen zu erhalten.
Kein Mensch darf in die Obdachlosigkeit geschickt werden! Kein Mensch darf hungern,
weil Sozialleistungen nicht ausgezahlt werden!
Eine 24 Stunden am Tag geöffnete Anlaufstelle vor dem LaGeSo muss eingerichtet werden.
Es muss gewährleistet werden, dass das LaGeSo für Geflüchtete, SozialarbeiterInnen,
Ehrenamtliche und BetreiberInnen, insbesondere für Notfälle, auch kurzfristig erreichbar ist.
Damit die öffentlichen Stellen handlungsfähig werden, müssen alle bürokratischen
Verfahren überprüft und Doppelstrukturen beseitigt werden. Behörden müssen
finanziell und personell angemessen ausgestattet sein.
Das öffentliche Gesundheitswesen muss gestärkt werden mit dem Ziel, medizinische
Erstversorgung und Impfungen zeitnah durchführen zu können.
Die MitarbeiterInnen der Sicherheitsdienste der Behörden und Unterkünfte müssen eine
persönliche Kennzeichnung tragen, so dass Ausfälle und Übergriffe gegenüber
Geflüchteten nachvollzogen und juristisch geahndet werden können.
Betreiber von Unterkünften, aber auch alle anderen RechnungsstellerInnen, müssen
zeitnah bezahlt werden.
Kinder und Jugendliche
Das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung muss ohne Rücksicht auf ihre
Herkunft real gewährleistet werden. Es muss sichergestellt werden, dass sie umgehend
in Kitas und Schulen aufgenommen werden.
Die unhaltbare Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge muss sofort
verbessert werden: Clearing-Gespräche und die Inobhutnahme durch das Jugendamt
müssen zeitnah erfolgen und die Minderjährigen müssen die ihnen gesetzlich
zustehenden Leistungen auch tatsächlich erhalten.
Wohnen
Statt geflüchtete Menschen in Massenunterkünften unterzubringen, müssen sofort
Maßnahmen ergriffen werden, damit sie dauerhaft dezentral in normale
Mietwohnungen oder allenfalls vorübergehend in abgeschlossene Wohneinheiten in
Gemeinschaftsunterkünften ziehen können.
Neu geplante Gemeinschaftsunterkünfte sollten für maximal 50 BewohnerInnen je
Standort konzipiert werden.
Das Personal im LaGeSo, das Wohnungsangebote, Untermietverträge und Angebote
für kleine Unterkünfte prüft, muss aufgestockt werden. Viele private Vermieter können
Menschen aus Massenunterkünften nicht aufnehmen, da ihre Angebote nicht in
vertretbarer Zeit bearbeitet werden.
Bezirke und Senat müssen gemeinsam zügig personelle Ressourcen mobilisieren, um
bundes-, landes- oder bezirkseigene Immobilien daraufhin zu überprüfen, ob dort
Wohnungen entstehen können.
Ferner muss umgehend geprüft werden, inwieweit zweckentfremdeter Wohnraum (z. B.
Ferienwohnungsvermietung, Leerstand etc.) dem Wohnungsmarkt wieder zur
Verfügung gestellt werden kann.
Bildung und berufliche Perspektiven
Sprachkurse sind für alle Asylsuchenden unabhängig von ihrer Herkunft direkt nach
ihrer Ankunft zu gewährleisten.
Es müssen ausreichend passgenaue Bildungsangebote für Menschen mit
unterbrochenen Bildungsverläufen geschaffen werden.
ErzieherInnen und LehrerInnen brauchen zusätzliche KollegInnen, Räume, Schulungen
und SprachmittlerInnen für Elterngespräche.
Stadtteil- und Jugendzentren müssen finanziell und personell besser ausgestattet
werden, um Begegnungen zu ermöglichen, ohne bestehende Angebote zu verdrängen.
Wir brauchen mehr Beratungsstellen, aufsuchende Sozialarbeit und Schulungen sowie
Kapazitäten zur Koordination ehrenamtlicher Arbeit.
Es müssen flächendeckende Programme zur direkten Vermittlung zwischen
Geflüchteten und ArbeitgeberInnen geschaffen werden.
Der Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete muss erleichtert werden: Bürokratische
Hemmnisse beim Jobzugang müssen abgebaut und die Vorrangprüfung bei der
Arbeitsplatzvergabe generell abgeschafft werden.
Täglich begegnen wir in den Unterkünften für Geflüchtete dieser Stadt Menschen, die
dringend auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Wir Ehrenamtlichen leisten
unseren Beitrag gern. Dieses Engagement kann jedoch nur dann wirkungsvoll sein,
wenn Politik und Verwaltung ihre Aufgaben rechtskonform, verantwortungsvoll und
effizient erfüllen. Unser Einsatz darf nicht als Feigenblatt missbraucht werden!
Mit freundlichen Grüßen
AG Flucht und Menschenrechte Treptow-Köpenick
Bündnis Neukölln
Bürgerinitiative Teilhabe (Spandau)
Flüchtlingshilfe Britz
Flüchtlingsinitiative Klausenerplatz
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Freiwillige im Rathaus Wilmersdorf
Hellersdorf Hilft
Initiative Deutschkurs in der Zwille
Initiative Sprachkurs im faq
Johannisthal Hilft
Kiezhilfe Tempelhof
Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant*innen (KuB) e.V.
Kreuzberg Hilft
Kurdistan Kultur- und Hilfsverein (KKH) e.V.
Medibüro Berlin – Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen
Medizin hilft Flüchtlingen
Mit Herz für Flüchtlinge
Moabit Hilft
Multitude e.V.
Offene Tür e.V.
Pankow Hilft
Place4Refugees
Spandau Hilft Gerne
Unternehmerverbund International
Unterstützerkreis Rahnsdorf
Weltweit - Asyl in der Kirche e.V.
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Kommentar: RE: 20160210 Freiwillige Helfer fordern Unterstützung
Versorgung Geflüchteter am LAGeSo weiter katastrophal
Unzumutbare Wartesituation - Schutzsuchende übernachten in Wartezelten
Noch immer warten Asylsuchende in Berlin wochenlang auf Vorsprachetermine in der Leistungsstelle für Asylsuchende am LAGeSo. Am Mittwoch dieser Woche gegen 16 Uhr warteten beispielsweise bereits etwa 80 Geflüchtete auf ihren vereinbarten LAGeSo-Termin am Donnerstag, um Krankenscheine, eine neue Kostenübernahme für die Unterkunft und Geldleistungen für Essen, Kleidung, Hygiene und persönlichen Bedarf (Fahrkosten, Telefon usw.) zu erhalten. Sie standen im Schneeregen ohne Wetterschutz vor leeren Wartezelten, denn die Zelte werden erst um 18 Uhr geöffnet. Geflüchtete berichteten uns, wer erst am Tag der Vorsprache zum Termin komme, werde erfahrungsgemäß von der Security abgewiesen.
„Es ist beschämend, dass Asylsuchende noch immer gezwungen sind, die Nacht vor ihrem LAGeSo-Termin auf dem Fußboden der Wartezelte des LAGeSo zu verbringen, um eine reale Chance auf Vorsprache am vereinbarten Termin am nächsten Tag zu haben", sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin.
Flüchtlinge leiden Hunger & werden kriminalisiert - rechtswidrig gekürzte Abschlagszahlungen
Viele Geflüchtete berichten dem Flüchtlingsrat, dass sie bei ihrer Vorsprache in den letzten Tagen nur eine rechtswidrig auf 100 Euro pro Person gekürzte "Abschlagszahlung" als Existenzsicherung zur Selbstversorgung für einen Zeitraum von 4 - 6 Wochen erhalten hätten. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssten dies 300 bis 450 Euro/Person sein. Andere berichten, dass sie für einen ebenso langen Zeitraum gar nichts erhalten haben. Krankenscheine werden ebenfalls noch immer in vielen Fällen willkürlich verweigert. Mangels Bargeld und BVG-Tickets werden die Geflüchteten beim Wahrnehmen von Terminen usw. kriminalisiert, da sie die BVG ohne Fahrschein nutzen müssen.
Georg Classen, Sprecher des Flüchtlingsrates: "Das Grundrecht auf menschenwürdige Existenzsicherung ist ein Menschenrecht. Die Existenzsicherung muss bei Bedürftigkeit zu jeder Zeit und in jedem Fall sichergestellt werden. Das LAGeSo irrt, wenn es meint, das tägliche Überleben durch weit unter dem Existenzminimum liegende Abschläge sicherstellen zu können. Es geht um die Gewährleistung staatlicher Sozialhilfe als Grund- und Menschenrecht, nicht um privatrechtliche Zahlungsverpflichtungen der freien Wirtschaft."
Pressemitteilung des Flüchtlingsrat Berlin, 19.02.2016 12:33
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Created: 2016-02-10 20:12:23
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