Aufruf zur Erinnerung und Wiedergutmachung
Das ist doch ein Thema der 70-iger Jahre wird so mancher meinen. Richtig ist, dass am 28. Januar 1972 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt den sogenannten Radikalenerlass unterzeichnete. Falsch ist die Annahme, dass in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Anschluss der DDR die Berufsverbotspraxis einfach eingeschlafen wäre.
Wen hat es denn betroffen?
In den Jahren nach 1972 wurden rund 3,5 Millionen Bewerberinnen für Berufe im öffentlichen Dienst überprüft. Diese Überprüfungen führten zu etwa 11.000 Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen.
Selbst 2011 mussten wir noch über die über 40-jährige Verfolgung des Bremer Juristen Rolf Gössner durch den Verfassungsschutz berichten und erst im letzten Dezember konnten wir über seinen späten Triumph durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig gegen die Revision der beklagten Bundesrepublik Deutschland (BVerwG 6 C 11.18) berichten.
Eine kleine Aufzählung weiterer Fälle der letzten Jahren
- 2017 sollte Benedikt Glasl in Bayern nicht Lehrer-Referendar werden,
- Im April 2016 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe entschieden, dass die Bespitzelung und Überwachung des Lehrers Michael C. durch den Verfassungsschutz rechtmäßig war.
- 2016 In Bayern wird per Gesinnungscheck entschieden, dass Kerem Schamberger keine Teilzeitstelle zur Promotion bekommen soll, was für ihn ein „De-facto-Berufsverbot“ ist.
- 2004 wurde dem Realschullehrer und Antifaschisten Michael Csaszkóczy in Baden-Württemberg wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue die Einstellung in den staatlichen Schuldienst verweigert,
- Silvia Gingold, Tochter jüdischer Widerstandskämpfer, kämpft noch heute gegen ihr Berufsverbot als Lehrerin in den 70er Jahren u.a. wegen Mitgliedschaft in der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) und versucht vor Gericht, die "aus Geheimhaltungsgründen" größtenteils geschwärzte Verfassungsschutz-Akte einzusehen.
Die Liste lässt sich fortsetzen, denn die "Tradition" der Berufsverbote begann nicht mit Willy Brandts Unterschrift, schon vor 184 Jahren unterschrieb Ernst August I. von Hannover die Entlassungsurkunden für die "Göttinger Sieben", sieben Professoren, darunter Wilhelm und Jacob Grimm. Die Sieben hatten es gewagt im November 1837 gegen die Absetzung der Hannoveranischen Verfassung zu protestieren.
Am 50. Jahrestag erinnern
Im Vorfeld des 50. Jahrestags des Radikalenerlasses im kommenden Jahr haben ehemalige Betroffene des Erlasses eine Unterschriftenaktion gestartet. Ver.di schreibt: "Zu den Erstunterzeichnerinnen gehören unter anderem der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, seine Stellvertreterinnen Christine Behle und Andrea Kocsis sowie der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Die Aktion fordert, den Radikalenerlass generell und bundesweit offiziell aufzuheben, alle Betroffenen voll umfänglich zu rehabilitieren und zu entschädigen sowie die Folgen der Berufsverbote und ihre Auswirkungen wissenschaftlich aufzuarbeiten."
Und auf der Webseite berufsverbote.de gibt es eine Unterschriftenliste mit dem Text des Aufrufs:
"Beenden Sie die Berufsverbotepolitik endlich offiziell!"
Aufruf von Betroffenen des „Radikalenerlasses“ an die Politik: „Beenden Sie die Berufsverbotepolitik endlich offiziell!“
Start einer bundesweiten Unterschriftensammlung in Vorbereitung des 50. Jahrestages im Januar 2022
Denn es ist an der Zeit,
- den Radikalen-Erlass generell und bundesweit offiziell aufzuheben,
- alle Betroffenen vollumfänglich inhaltlich zu rehabilitieren und finanziell zu entschädigen,
- die Folgen der Berufsverbote und ihre Auswirkungen auf die demokratische Kultur wissenschaftlich aufzuarbeiten.
Vergessen wir nicht, dass "damals" der Verfassungsschutz noch mit großem Aufwand Zeitungen und Flugblätter "Verdächtiger" beschaffen und lesen musste, heute sind solche Informationen in den (a)sozialen Medien mit einem Klick zusammenzutragen. BigBrother weiß (fast) alles ...
Mehr dazu bei http://berufsverbote.de/
und VER.DI PUBLIK 1. 2O21, S.11
und der Aufruf zum Unterschreiben http://berufsverbote.de/tl_files/docs/Aufruf50JahreBerufsverbot.pdf
und alles unsere Artikle zum Thema https://www.aktion-freiheitstattangst.org/cgi-bin/searchartl.pl?suche=berufsverbot&sel=meta
Kommentar: RE: 20210222 Fast 50 Jahre Berufsverbote
Sehr gut, dass Aktion Freiheit statt Angst auch dieses Thema im Blick hat. Eine freie Berufswahl ohne Angst ist praktisch ein Hohn, wenn diese Politik nach 50 Jahren Radikalenerlass immer noch hofiert wird. Die damals von diesem Erlass Betroffenen wurden auch nicht rehabilitiert und entschädigt.
Ti., 22.02.21 09:55
RE: 20210222 Fast 50 Jahre Berufsverbote
Z.Zt. kommt die Politik im Süden der Republik mit neuen Forderungen nach Berufsverboten. Der Vorwand ist die AfD und der Flügel. Gesinnungsschnüffelei darf jedoch nie zu Berufsverboten führen.
Für den Flügel gibt es das Strafrecht mit Paragrafen gegen Holocaust-Leugner u.a. menschenverachtenden Taten.
Wir werden Hanau nie vergessen!
Merwan, 22.02.21 11:42
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Erstellt: 2021-02-22 09:07:55 Aufrufe: 1031
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