25.12.2018 Kampf um unsere Privatsphäre muss weitergehen

Weiter aktiv gegen Überwachung!

Mit Bedauern haben wir vor einigen Tagen von der Auflösung des Vereins "Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung e.V." in Hamburg gehört und möchten ihren Abschieds-Newsletter zu Gehör bringen, um der Vermutung vorzubeugen, dass sich der Kampf gegen Überwachung von selbst erübrigt hätte. Das Gegenteil ist der Fall!

 Auflösung / Abschieds-Newsletter "Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung e.V."

1. Jeder von Ihnen, der sich in einem Verein oder sonst wie engagiert,  weiß, dass das nicht immer ein einfaches Unterfangen ist.  Die  Meinungen, welche Mittel zur Durchsetzung der Vereinsinteressen  erforderlich und/oder geboten sind, können verschieden sein. Beruf,  Familie und sonstige Hobbys tun ihr Übriges, um den Elan, den ein  Verein benötigt, den Schwung zu nehmen bis er endgültig versiegt. Das  wir überhaupt so weit gekommen sind und in den letzten fünf Jahren  demonstrieren und altehrwürdige Juristentage „sprengen“ konnten sowie  die Kanzlerin mit einem Spruchband „Totalüberwachung –  www.stop-prism.de“ in Hamburg begrüßen durften, verdanken wir auch  Ihnen. Sie haben uns durch Ihre Unterschrift unter unsere Hamburger  Erklärung, durch Ihren Zuspruch per Email, Ihre Anwesenheit auf  unseren Veranstaltungen/Demonstrationen und auch Ihren Spenden   enormen „Auftrieb“ gegeben.  Sie waren unser Motivator und dafür danken wir Ihnen von Herzen! 

Danken möchten wir an dieser Stelle auch Herrn Dr. Gerhard Baum, Herrn  Hans-Christian Ströbele, Herrn Peter Schaar sowie Herrn Dr. Marcus  Mollnau, die uns 2015 auf unserer Demonstration vor dem  Bundekanzleramt durch hervorragende Redebeiträge unterstützt haben.  Dank gebührt auch dem Chaos Computer Club und allen weiteren  Organisationen, die uns auf unserem Weg begleitet haben. 

 2. Hat sich Ihr und auch unserer Einsatz gelohnt? Tja, hierzu gilt  Obiges über die verschiedenen Meinungen. Ich kann insofern nur für mich sprechen:   Mir wurde  in den ersten Jahren nach den Snowden-Enthüllungen in  etlichen Gesprächen von meinem Gegenüber entgegnet, dass man „nichts  zu verbergen habe“ und man einer anlasslosen Totalüberwachung  quasi  „gelassen“ gegenüberstehe.  Mich hat diese kindliche Naivität schon  immer amüsiert. Richtig witzig wurde es allerdings immer erst dann,  wenn ich die jeweiligen Gesprächspartner daraufhin – gern in großer  Runde während einer Bahnfahrt usw. – gefragt habe,

Auf diese Fragen hin passierte vieles. Nur habe ich – zu Recht - nie  Antworten bekommen. Diese Naivität erlebe ich nun nicht mehr. Ein  Großteil meiner Gesprächspartner ist sich heutzutage der Gefahr, die  von einer anlasslosen Totalüberwachung ausgeht, bewusst, und zwar  unabhängig davon, ob das „Private“ strafrechtliche Relevanz hat oder nicht. Insofern bin ich der Überzeugung, dass Sie und unser Verein hierzu  etwas beitragen konnten. 

3. Hat unser Verein bei den politischen Entscheidungsträgern etwas  bewirken können? Ich glaube kaum! Es scheint weiterhin ein leider weit  verbreiteter Konsens zu sein, dass Sie und ich einer „gewissen  Fürsorge“ bedürfen. Wir sind offensichtlich potentielle Staatsfeinde,  die man beispielsweise mittels eines Gesetzes zur Neuordnung des  bayrischen Polizeirechts oder durch eine (dauerhafte) biometrische  Gesichtserkennung im Auge behalten muss (lesenswert zur  Videoüberwachung am Berliner Südkreuz https://www.ccc.de/en/updates/2018/debakel-am-suedkreuz).

Ist das zur Terrorabwehr überhaupt nötig oder erforderlich? Selbstverständlich nicht, da bereits die Strafprozessordnung den  Ermittlungsbehörden weitreichende Möglichkeiten, wie z. B. 

einräumt, um Kriminelle und/oder Terroristen zu überwachen und zu verfolgen.  Diejenigen, die letzte Zweifel hegen, sei der Bericht des Sonderermittlers Bruno Jost (https://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Jost) zum Anschlag auf den  Breitscheidplatz empfohlen, der als Ursache für den Terroranschlag vom 19.12.2016 nicht fehlende Überwachungsmöglichkeiten benennt, sondern  haarsträubende strukturelle und organisatorische Mängel sowie ein  erhebliches Desinteresse der handelnden Ermittlungsbehörden. Dass  derartige Mängel im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen  potentiellen Attentäter, den man zeitweise als Gefährder Nr. 1 geführt  hat, überhaupt auftreten konnten, hätte ich persönlich nicht für  möglich gehalten (den vollständigen Bericht finden Sie hier: https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/weitere-informationen/artikel.638875.php - unbedingt lesenswert die Seiten 70 bis 71). 

4. Was bleibt zu tun? Es gibt eine Vielzahl von Vereinen, Initiativen,  Pressorganen und sonstigen Organisationen, die sich für die Einhaltung  unserer verfassungsmäßigen Rechte einsetzen, damit staatlicher Willkür  nicht Tür und Tor geöffnet werden. Diese Organisationen haben den Schwung, der uns  abhanden gekommen ist. Beispielsweise die Initiative gegen  Totalüberwachung e.V. (https://www.gegen-totalueberwachung.de/mitmachen.html) von unseren Kollegen aus Köln. Wir würden uns freuen, wenn Sie – in welcher Form auch immer – aktiv  weiter daran mitwirken, unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass ihre  Vielfalt erhalten bleibt. 

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alles Gute, frohe Weihnachten, einen guten Rutsch! 
Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung e.V.
Alsterufer 34, 20354 Hamburg

Mehr dazu bei https://rechtsanwaelte-gegen-totalueberwachung.de

PS. Wir danken der Inititiative für ihre Arbeit und können neben der Initiative gegen  Totalüberwachung in Köln mit namhaften Aktiven weitere Gruppen in den verschiedensten Orten in Deutschland empfehlen - und auch wir suchen nach Menschen, die auf ihre Privatsphäre nicht verzichten möchten.
Es gibt viel zu tun!


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Erstellt: 2018-12-25 12:28:14
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