07.11.2018 Eine Ohrfeige für den Kanzler

Heute vor 50 Jahren ohrfeigte Beate Klarsfeld Kiesinger

Nachdem 11 Jahre in Deutschland aus vielen Fenstern die Fahne mit dem Hakenkreuz hing, waren "die Nazis" nach dem 8. Mai 1945, auf jeden Fall aber spätestens nach den Nürnberger Prozessen, alle verschwunden.

Wirklich? Wohin waren sie verschwunden?

Darüber gibt es leider weder auf BRD noch auf DDR Seite eine Statistik. In Westdeutschland wurden die "alten Eliten", wie sie verharmlosend genannt wurden schnell in den Aufbau des neuen Beamtenapparats eingebunden. In der Organisation Gehlen, dem späteren BND, hatten alte Nazis sogar eine 3/4-Mehheit und auch die Bundeswehr griff bei ihrer Neugründung auf "bewährte Militärs" der Wehrmacht zurück.

Und im Jahr 1966 wurde sogar ein ehemaliges NSDAP Mitglied Bundeskanzler. Kurt Georg Kiesinger regierte die erste große Koalition bis 1969. Heute vor 50 Jahren, am 7. November 1968 leitete er den CDU Parteitag, der (auch zum Ärger der DDR) wieder einmal in der Westberliner Kongresshalle stattfand.

Dort gelang es einer jungen Frau, Beate Klarsfeld, an den ahnungslosen Sicherheitsleuten vorbeizukommen. Sie rief "Nazi, Nazi!" und gab dem Kanzler eine Ohrfeige und ging damit in die Geschichte ein. Sie hatte bereits Im Mai 1968 im Audimax der Technischen Universität Berlin vom Podium herunter versprochen: "Ich werde Kiesinger öffentlich ohrfeigen."

Sie hatte bereits als Kiesinger 1966 Kanzler wurde in der französischen Zeitung Combat geschrieben: "Als Deutsche bedaure ich den Aufstieg Herrn Kiesingers ins Kanzleramt. Wenn die deutschen Staatsgeschäfte von einem Mann geführt werden, der – selbst wenn nur aus Opportunismus – NSDAP-Mitglied war, so heißt das, dass die deutsche Öffentlichkeit einer gewissen Zeit und einer gewissen Einstellung die Absolution erteilt. Die Philosophin Hannah Arendt hat im Zusammenhang mit Eichmann von der 'Banalität des Bösen' gesprochen. Für mich verkörpert Herr Kiesinger die Respektabilität des Bösen."

Beate Klarsfeld's Ehemann Serge Klarsfeld hatte seinen Vater im KZ Auschwitz verloren.

Die bundesdeutsche Justiz verurteilte Beate Klarsfeld bereits wenige Stunden nach der Ohrfeige in einem Schnellverfahren zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung. Da sie durch ihre Eheschließung die französische Staatsbürgerschaft besaß, musste sie jedoch frei gelassen werden.

Heinrich Böll schenkte Beate Klarsfeld nach Verabreichung der Ohrfeige fünfzig rote Rosen. Wir können hier nur an ihren Widerstand erinnern ...
Wenn wir ihre Ankündigung vom Mai und die Tat im November im heutigen Licht betrachten, so müssen wir feststellen, dass sie nach heute "üblichen Überwachungsgepflogenheiten" wohl nicht mehr erfolgreich gewesen wäre, siehe biometrische Gesichtserkennung, Handy-Ortung, Bewegungsprofile, ...

Mehr dazu bei https://www.jungewelt.de/artikel/342890.postfaschismus-in-der-brd-die-ohrfeige.html
und https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Georg_Kiesinger


Kommentar: RE: 20181107 Eine Ohrfeige für den Kanzler

Das war ein Hammer damals! Ich hab mir vorher aber auch keine Gedanken gemacht, wo denn die vielen Nazis abgeblieben sind. Aber in der Schule war es Thema!

Ho., 07.11.2018 14:33


RE: 20181107 Eine Ohrfeige für den Kanzler

Soweit ich weiss, mussten alle, die in der CDU von Schleswig-Holstein einen hohen Posten bekamen, bei Alt-Nazi von Dönitz antreten. Also bein Hitler-Nachvolger!

Ha., 08.11.2018 16:54


RE: 20181107 Eine Ohrfeige für den Kanzler

Uwe Barschel war ein echter Dönitz-Verehrer und latschte in tiefer Trauer hinter seiner Kiste her, als er verstorben war.

Fl., 08.11.2018 16:57


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Erstellt: 2018-11-07 10:09:38
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