Europa muss wieder ein sicherer Hafen werden
Was lesen wir heute? Die SPD ist mit dem gefundenen Asylkompromiss zufrieden.
So weit ist schon gekommen - nach ihrem mehrwöchigen Abtauchen kommt nicht der Aufschrei, dass diese Politik nichts mehr mit dem Koalitionsvertrag zu tun hat, sondern Anbiederung an die vorgegebene Rechtsaußenpolitik.
Das Recht auf Asyl wird zur Zeit quer durch Europa ausgehöhlt. Ein Recht, das in Deutschland sehr bewusst nach den Gräueltaten der Nazis einführte. Damals fanden viele Menschen keinen Schutz - auch nicht in den anderen europäischen Staaten. Nun erstarkt die Rechte erneut - und alle kuschen, zumindest in den Regierungsparteien.
Die Zivilgesellschaft ist glücklicherweise angesichts der täglichen Toten noch nicht abgestumpft. So hat z. B. der ver.di Gewerkschaftsrat am 28./29. Juni 2018 folgende Resolution beschlossen:
Menschen zu retten, darf kein Verbrechen sein.
In den vergangenen Tagen hat uns die Situation der Flüchtlinge auf dem Schiff Lifeline in Atem gehalten. 233 Flüchtlinge wurden von der Besatzung der Lifeline vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet, darunter viele Frauen und Babys.
Trotz der sich verschärfenden hygienischen Bedingungen an Bord, wurde dem Schiff tagelang die Einfahrt in einen sicheren europäischen Hafen verweigert, bis Malta vor zwei Tagen endlich die Genehmigung zum Einlaufen erteilt hat. Jetzt sollen die Menschen auf verschiedene europäische Länder verteilt werden.
Obwohl sich auch in Deutschland Bundesländer wie Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein offiziell bereit erklärt haben, Flüchtlinge aus humanitären Gründen solidarisch aufzunehmen, blockiert der zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer die Aufnahme der Menschen. Stattdessen forderte er im Innenausschuss des Bundestags, das Schiff zu beschlagnahmen und die Besatzung strafrechtlich zu verfolgen.
In welcher Welt leben wir, in der das Retten von Menschenleben zur Straftat erklärt wird? Die Äußerungen von Horst Seehofer zur Lifeline zeigen, dass die rechtspopulistische Stimmungsmache gegen MigrantInnen und Flüchtling im Zentrum der Politik angekommen ist. Doch das Leben einzelner Schutzsuchender darf nicht zum Spielball des Gerangels in der großen Politik werden. Das Recht auf Leben gilt auch auf hoher See!
Wir stehen als Gewerkschafter*innen für den Schutz der Menschenrechte und für Solidarität – auch mit den Schwächsten der Gesellschaft. Unsere Kolleginnen und Kollegen setzen sich in ihrer Arbeit jeden Tag für eine soziale, gerechte und lebenswerte Welt ein.
Wir fordern zusammen mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund, dass die gemeinsamen europäischen Werte wie die Einhaltung der Menschenrechte, die Solidarität und die Humanität geachtet und eingehalten werden.
Wir verurteilen die Haltung des Bundesinnenministers und unterstützen die solidarische Aufnahme von Schutzsuchenden und Flüchtlingen auch in Deutschland.
ver.di Gewerkschaftsrat, 28. Juni 2018
Neben den Gewerkschaften setzen sich weiterhin viele zivilgesellschaftliche Gruppen und unzählige Menschen für Geflüchtete ein. So möchten wir auf den wunderbaren Kommentar von Renee Zucker im rbb am Mittwoch Vormittag verweisen, die über selbstverliebte Politikerphrasen, und ein wochenlanges Medienspektakel nur noch betrübt den Kopf schütteln kann und die Unterschiftensammlung von Campact für die Freilassung der privaten Seenotrettungsschiffe und Flugzeuge.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen auf der Flucht und fordern von der deutschen und europäischen Politik sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind.
Vor allem, wenn sie oft deshalb auf der Flucht sind, weil WIR die Fluchtursachen sind, in dem wir ihnen ihre Fischgründe leer fischen, ihnen unsere giftigen Abfälle vor die Haustür kippen und ihre korrupte Soldateska mit deutschen Waffen beliefern. Alle 14 Minuten wird auf der Welt ein Mensch mit deutschen Waffen getötet - fast 100 pro Tag.
Es darf nicht zum Standard werden, dass Politiker einfach wegschauen und Menschen ertrinken lassen und diejenigen, die sich für die Menschenrechte einsetzen in den Gefängnissen landen. Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! sagte angeblich schon Bertholt Brecht, auf jeden Fall sagte es Petra Kelly (Grüne) in einer ihrer Reden zum Beschluss der NATO nicht auf den atomaren Erstschlag verzichten zu wollen.
Die Kampagne "Seebrücke" hofft, dass am kommenden Samstag, den 7. Juli möglichst vielen Menschen spontan auf die Straße gehen. In Berlin findet eine Demonstration um 13 Uhr am Neptunbrunnen am Roten Rathaus statt. Wir wollen viele sein!
Mehr zu der Demo am Sa. in Berlin bei https://www.aktion-freiheitstattangst.org/events/2259-20180707.htm
und weitere Demos in anderen Städten https://seebruecke.org/wp/#aktionen
und der rbb Kommentar von Renee Zucker über selbstverliebte Politikerphrasen, und ein wochenlanges Medienspektakel https://rbbmediapmdp-a.akamaihd.net/content/a633f011-7052-4e08-89cc-9b32bcc00b00_8f39e683-5146-4dee-92bb-a3553c268a62.mp3
und zur Petition für die Seenotretter https://weact.campact.de/petitions/beenden-sie-das-sterben-im-mittelmeer-seenotrettung-ist-kein-verbrechen
Kommentar: RE: 20180706 Rechtsruck zurückweisen!
Demo gut, aber diesen Satz von euch finde ich kontraproduktiv: "Migration ist und war schon immer Teil unserer Gesellschaft!"
Grundsätzlich ist zwar gegen den Sachverhalt nichts einzuwenden. Ihn aber jetzt, zu Zeiten "geboosteter Flucht" (wegen: durch Krieg angestrebter Regime-Changes, des Syrien-Boykotts, des Einsatzes der Ressource Wasser als Waffe, vor allem aber des gewaltsamen "Teile und Herrsche" durch den Westen, Schaffung von Failed States, v.a. Libyen) als "normal" darzustellen ("War schon immer Teil unserer Gesellschaft"), finde ich abartig! - Lasst uns doch bitte, bitte die Fluchtgründe und ihre Verursacher benennen und bekämpfen - damit diese Menschen gar nicht erst flüchten müssen!
Albrecht, 06.07.2018 11:14
RE: 20180706 Rechtsruck zurückweisen!
14 Jahre nach dem Angriff der italienischen Justiz auf die „Cap Anamur“ und ihren Kapitän Stefan Schmidt verschärfen die EU Mitgliedsstaaten wieder die Verfolgung von Rettern aus Seenot.
Als Kapitän des Schiffes „Cap Anamur“ rettete Schmidt im Juni 2004 im Mittelmeer 37 Personen aus Seenot. Der Motor ihres Schlauchbootes war ausgefallen, die Kammern verloren Luft und das Boot drohte zu kentern. Die entkräfteten Männer verfügten weder über Trinkwasser noch Nahrung. Schmidt nahm sie zwischen Malta und Lampedusa an Bord. Dafür wurde er von einem italienischen Gericht wegen Schleusung angeklagt. Die Anklage bei der Eröffnung des Prozesses am 27. November 2006 in Agrigento/Sizilien lautete: Bandenmäßige Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schwerem Fall. Die Staatsanwaltschaft forderte vier Jahre Haft und 400.000 € Geldstrafe. Die soziale Existenz des Kapitäns, der lediglich dem Imperativ des internationalen Seerechts gefolgt war, in Seenot geratene Personen zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen, war bedroht.
Erst im Oktober 2009 wurde der Kapitän Stefan Schmidt freigesprochen. Die Feier zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille am 13. Dezember 2009 nahm Schmidt zum Anlass, seine Auszeichnung mit zwei tunesischen Fischern zu teilen, die ihrerseits Flüchtlinge aus Seenot gerettet und nach Lampedusa gebracht hatten. Allein durch die willkürliche Zerstörung ihrer Fischerboote wurde ihr Lebensunterhalt in Frage gestellt.
14 Jahre nach dem skandalösen Verfahren gegen die „Cap Anamur“ und ihren Kapitän Stefan Schmidt werden Häfen geschlossen, gerettete Menschen in Lebensgefahr gebracht und Retter wieder kriminalisiert!
ilmr.de, 12.07.2018 15:55
RE: 20180706 Rechtsruck zurückweisen!
Hallo,
mein Name ist Clemens. Ich bin im Juni auf dem Seenotrettungsschiff LIFELINE mitgefahren.
Am 21. Juni sichteten wir zwei völlig überladene und nicht hochseetaugliche Schlauchboote mit insgesamt 234 Menschen, davon 4 kleine Kinder und 14 Frauen. Wie Sie wahrscheinlich aus den Nachrichten gehört haben, haben wir eine Woche lang keine Erlaubnis bekommen in einen sicheren Hafen zu fahren. Die geretteten Menschen konnten wir aufgrund von Platzmangel nur auf dem Deck beherbergen. Sie waren schutzlos Wind und Wetter ausgeliefert.
Während unserer Irrfahrt wurde in Europa verhandelt, welche Staaten die von uns geretteten Personen aufnehmen würden. Diese Verhandlungen wurden durch Herrn Seehofer unnötig hinausgezögert. Er hat im Alleingang verhindert, dass keine der Geretteten nach Deutschland gebracht wurden, obwohl etliche Kommunen, sogar ganze Bundesländer sich dazu bereit erklärten alle 234 Menschen aufzunehmen. Darüber hinaus forderte er noch eine Anklage gegen alle Crewmitglieder. Das ist widerlich! Herr Seehofer scheint nicht zu verstehen, welche Auswirkungen seine Handlungen haben. Aus diesem Grund laden wir ihn ein, einen Tag bei der Seenotrettung dabei zu sein!
Clemens, 24.07.2018 22:32
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Erstellt: 2018-07-06 09:04:10 Aufrufe: 1444
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