Kostenlos mit der Tram fahren, damit die Stadt Geld spart
Auf diese Idee sind die Berliner Verkehrsbetriebe leider noch nicht gekommen - in Melbourne ist das Standard. Dort fährt die Tram auf 250 Kilometer zweigleisiger Strecke und hält an mehr als 1.700 Haltestellen und kommt in der Rushhour alle 90 Sekunden. Und warum fährt die Tram kostenlos?
Die Transportbehörde in Melbourne antwortet auf diese Frage: "Weil die Stadt so Geld spart."
Es fahren Zehntausende Pkws weniger durch das Stadtzentrum, Straßen halten länger, Unfälle sind seltener, die positiven Auswirkungen auf die Luft sind immens. Dazu kommt, dass man keine Fahrkartenkontrolleure bezahlen muss, die Zahl der kostspieligen Strafverfahren gegen Schwarzfahrer ist gegen Null gegangen - und die Zahl der Touristen ist angestiegen.
Zu dieser einfachen Rechnung ist in Berlin scheinbar niemand fähig. Stattdessen bricht in den Boulevard-Medien der Stadt eine Hetze gegen den Justizsenator los, wenn dieser laut darüber nachdenkt, ob man nicht Geld und Zeit sparen könnte, wenn man das Schwarzfahren dem Falschparken gleichstellt und von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabstuft. In den Zeitungen hört sich das dann wie "eine Erlaubnis zum Schwarzfahren" (Berliner Kurier) an - aber leider sind wir nicht Melbourne.
Stattdessen leistet sich das klamme Berlin die Idiotie Hunderte Menschen wegen Schwarzfahrens für mehrere Hundert Euro pro Tag ins Gefängnis zu stecken, weil sie (mehrfach) keine 2,80 Euro für einen Fahrschein übrig hatten. JVA-Leiter Udo Plessow aus Plötzensee bestätigte dem Tagesspiegel „Mindestens 155 unserer 480 Gefangenen wurden wegen Schwarzfahrens zu Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt.“ Ersatzfreiheitsstrafe bedeutet, dass die Betreffenden nicht bereit oder in der Lage waren ihre Geldstrafe zu zahlen.
Im Mai 2016 konnten wir über den Vorschlag von Grünen, Linken und Piraten zur Berliner Verkehrspolitik über eine Nahverkehrabgabe für alle Berliner und dadurch mehr als halbierte Fahrpreise im ÖPNV berichten. Nicht nur CDU und SPD waren dagegen, selbst die Betroffenen, die BerlinerInnen, sprachen sich in Umfragen gegen eine solche Verbesserung ihrer Bewegungsmöglichkeiten in der Stadt und letztlich auch für die Vergiftung ihrer eigenen Atemluft aus.
Da fällt einem einfach nichts mehr ein - vor allem, wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit von PKWs in Berlin inzwischen trotz überproportionalem Anstieg der PS-Stärke unter 20km/h angekommen ist und sich damit nicht mehr von der Reisegeschwindigkeit im ÖPNV unterscheidet.
Update 15.03.2018: Über diesen Leserbrief (s.u.) haben wir uns gefreut und nehmen das mitgeschickte Bild hier gleich noch einmal in den Artikel. Also die Mehrheit der BerlinerInnen sind für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr - das ist doch schon mal ein Anfang. Jetzt gilt es die Politik zu überzeugen und dann könnte man schon mal mit einer Halbierung der Ticketpreise einen Einstieg machen.
Mehr dazu bei https://web.de/magazine/reise/blog/melbourne-funktioniert-verkehrskonzept-gerade-32728516
und https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/5559-20160515-solidarisch-finanzierter-nahverkehr.htm
und http://www.tagesspiegel.de/berlin/strafen-jeder-dritte-in-ploetzensee-sitzt-wegen-schwarzfahrens/1396434.html
und alle unsere Artikel zum Nahverkehr in Berlin https://www.aktion-freiheitstattangst.org/cgi-bin/searchartl.pl?suche=VBB&sel=meta
Kommentar: RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Die Talibane der Automobilindustrie sind keinen rationalen Argumenten zugänglich. Vernunft kommt in dem Weltbild von SPD, CDU und FDP nicht vor.
J., 06.02.2018 11:54
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Man kann nicht kostenlos mit der Tram fahren. Was man tatsächlich kann: Fahrscheinlos mit der Tram fahren. Das ist nicht nur vom Wortlaut her ein gewaltiger Unterschied.
Ro., 06.02.2018 15:25
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Heißt das, Schwarzfahren würde geduldet? " ... die Zahl der kostspieligen Strafverfahren gegen Schwarzfahrer ist gegen Null gegangen ... "
Y., 06.02.2018 15:31
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Nein, das heißt, dass irgendwer die Tram bezahlen muss, im Zweifel halt die Gemeinschaft. Auch dort.
Ro., 06.02.2018 15:32
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
allerdings ist das "fahrscheinlose tramfahren" mit deutlich weniger kosten für alle verbunden, "die gemeinschaft" hat geringere kosten zu tragen, als beim automobilen individualverkehr oder für die ganz dummen, ein öffentlich vollfinanzierter ÖPNV kostet im vergleich weniger, als ein teilsubventionierter
Mu., 06.02.2018 15:59
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Man sollte sich auch mal darüber unterhalten was Kosten sind. Für mich: ein buchhalterischer Posten, der darauf basiert, daß es eine Konvention namens Geld gibt. Den Aufwand, ein öffentliches Personennahverkehrssystem bereit zu stellen, kann man auch ganz ohne Geld betreiben.
Y., 06.02.2018 16:04
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
das argument des artikels sind die finanzielle kosten, jetzt das geld aus der debatte zu streichen is ...... lustig, weil damit der grossteil der argumentation im artikel wegfällt, ist dann aber eine völlig andere debatte, nämlich die nach der abschaffung und überwindung des kapitalismus
Mu., 06.02.2018 16:11
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Ich bin der Meinung, das Problem ist die "Wirtschaft". Allen voran die Automobilindustrie, die auch heute noch sehr großen Einfluss auf die Leitmedien hat. Wer Geld verdient bestimmt, nicht wer die logischen Argumente hat.
Ich glaube, in vielen Städten Deutschlands hat ein Autohändler mehr Einfluss als der Bürgermeister (oder ist Bürgermeister).
Ich vermute, in vielen deutschen Städten wird erst über einen Parkplatz diskutiert, dann über einen Spielplatz/Erholungsgebiet. Ich kenne Menschen die fahren 1km mit dem Auto um dann 10 Minuten im Wald spazieren zu gehen. /fremschäm
Es kommt mir so vor, als ob in der Politik und auch in unseren Medien, 3000 Jobs bei Opel mehr Gewicht haben, als 3000 Stellen zu wenig Personal bei Polizei, im Pflegedienst, in der Justiz oder in Krankenhäusern.
Und es erscheint mir eine typische deutsche Denkweise zu sein, ersteinmal alles ins Feld zu führen was man nicht kann, als einfach mal das zu tun - was möglich wäre.
Apropos PS: Menschen die mit einem 120PS Motor ihre Kinder zur 600 Meter weit entfernten KITA fahren, ernten bei mir auch nur völliges Unverständnis. Ich freue mich schon auf das Ende dieses Schwachsinns und auf die kommenden Fahrverbote - ( ich vermute 10 Jahre).
Y., 08.02.2018 07:23
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Interessanter Beitrag über erste Erfahrungen in Europa:
https://www.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-b-fahren-ohne-fahrschein-100.html
Gesellschaft | plan b - Fahren ohne Fahrschein
Verstopfte Städte, verspätete Busse, teure Tickets – Alltag in Deutschland. Geht das auch anders?
In der estnischen Hauptstadt Tallinn und auch im französischen Dünkirchen wurde der Nulltarif eingeführt und das Angebot optimiert. Auch in Deutschland gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Zeit teurer Tickets für schlechte Verkehrsverbindungen zu Ende geht.
Lo., 12.02.2018 22:47
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Für einen umweltverträglichen öffentlichen Nahverkehr ist noch viel Werbung notwendig. Immerhin hat die Idee in Berlin schon eine Mehrheit, wie die Umfrage der Berliner Woche zeigt. Berlin ist ja auch die Stadt mit den wenigsten PKW pro Einwohner, irgendwas um 0,4 oder so und wir haben ja auch einen meist funktionierenden Nahverkehr.
Umfrage in der Berliner Woche in der Zeit vom 7.-11.3.18
Marlies, 15.03.2018 12:25
RE: 20180206 Sind wir noch vernünftigen Argumenten zugänglich?
Die 51% sind schon ein gutes Ergebnis nachdem in der Boulevardpresse der Stadt jeder Gedanke an so ein Projekt mit Schwachsinns- und Scheinargumenten zerrissen wurde, s.oben im Artikel "die Erlaubnis zum Schwarzfahren".
Marc, 16.03.2018 09:44
Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/2SS
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Tags: #Grundrechte #VBB #BVG #Nahverkehr #Melbourne #Kostenlos #Solidaritaet #Gemeinschaft #Freizuegigkeit #Verhaltensaenderung #Volksabstimmung #Anonymisierung #Schwarzfahren #Ordnungswidrigkeit
Erstellt: 2018-02-06 10:09:26 Aufrufe: 1993
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