Die "Gesetzes-Verschachtelung"
Update 4.5.13: Unsere Kritik wurde nicht gehört, aber sie war nicht vergeblich. Der Bundesrat hat das umstrittene Gesetz zur Bestandsdatenabfrage zwar durchgewinkt aber der Kampf gegen den staatlichen Passwortklau wird weiter gehen.
Aktion Freiheit statt Angst hatte vor einer Woche an alle Länderregierungen und ihre Vertreter im Bundesrat geschrieben, um sie auf die Gefahren durch das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft aufmerksam zu machen. Vom Innenministerium von NRW haben wir eine Antwort erhalten, die uns an eine kafkaeske Gesetzes-Verschachtelung erinnert.
Unser Brief lautete
Herr Jäger (MdBR)
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Berlin, den 13.04.2013
Ablehnung einer automatisierten Abfrage von Kommunikationsdaten
Sehr geehrter Herr Jäger,
ich halte den Gesetzentwurf zur Bestandsdatenabfrage für verfassungswidrig und würde Sie bitten diesen im Bundesrat abzulehnen.
Der Entwurf erlaubt entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Zugriffe auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden ohne diese auf Fälle konkreter Gefahr zu beschränken. So soll die Identifizierung von Internetnutzern selbst zur Ermittlung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden.
Der Zugriff auf Kommunikationsdaten durch eine elektronische Schnittstelle ist eine unverhältnismäßige "Erleichterung" und führt durch das Fehlen der Kontrolle durch einen Richter garantiert zu Missbrauch.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Hammerschmidt, Aktion Freiheit statt Angst e.V.
Die Antwort aus dem Innenministerium NRW:
Sehr geehrter Herr Dr. Hammerschmidt,
Herr Minister Jäger bedankt sich für Ihre Mail. Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
In den Medien sowie in den einschlägigen Internetforen und Blogs wird schon während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens intensiv über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft berichtet und diskutiert. Zum Teil werden dabei der Inhalt, die rechtliche Bedeutung und die tatsächliche Tragweite der geplanten Neuregelungen unzutreffend interpretiert.
Im Kern lässt sich dazu aber Folgendes sagen: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung - setzt die Anforderungen um, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung von Januar 2012 aufgestellt hat. - schafft normenklare Regelungen nach dem "Doppeltürenmodell": D.h. neben der Befugnis der Telekommunikationsunternehmen zur Datenübermittlung im Telekommunikationsgesetz benötigen die Sicherheitsbehörden spezielle Erhebungsvorschriften in den jeweiligen Fachgesetzen - schafft nötige Rechtssicherheit für die Telekommunikationsunternehmen, Sicherheitsbehörden und Bürgerinnen und Bürger. - ermöglicht die Fortsetzung der auf bisheriger Rechtsgrundlage geübten Praxis.
Neue Befugnisse werden nicht geschaffen. Die Sicherheitsbehörden dürfen nur dann im Einzelnen näher bezeichnete Daten bei den Diensteanbietern abfragen, wenn ein Spezialgesetz für Polizei, Verfassungsschutz und Strafverfolgung die Auskunft ausdrücklich - unter Bezug auf die Normen des Telekommunikationsgesetzes - zulässt.
Auch die im Gesetzentwurf vorgesehene elektronische Auskunftsschnittstelle ändert nichts daran, dass nach den Fachgesetzen Auskünfte nur in begründeten Einzelfällen möglich sind. Ein pauschales und voraussetzungsloses "Abgreifen" der Daten ist nicht zulässig. Es wäre falsch, einen unversöhnlichen Gegensatz zu zeichnen zwischen effektiver Polizeiarbeit einerseits und dem Schutz der Bürgerrechte andererseits. Beides kann sehr wohl in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Nach der Einschätzung von Minister Jäger geschieht dies durch den Gesetzentwurf.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag ... Ministerium für Inneres und Kommunales NRW
Abteilung 4 - Polizei Referat 402
Abgesehen von dem bei Standardantworten üblichen Fehlen des Bezugs zu unseren Argumenten, z.B. die BVerfG Vorgabe "auf Fälle konkreter Gefahr zu beschränken", wird in dem Brief ein interessanter (sinnloser) Zirkelschluß aufgemacht.
Wir dürfen Daten ziehen, "wenn ein Spezialgesetz für Polizei, Verfassungsschutz und Strafverfolgung die Auskunft ausdrücklich - unter Bezug auf die Normen des Telekommunikationsgesetzes - zulässt." Das Schlimme ist doch gerade, dass die "Normen des Telekommunikationsgesetzes" verfassungswidrig weit aufgeweicht werden. Abgesehen davon ist ein Bezug auf ein (mögliches) Spezialgesetz keine Beruhigung sondern eher eine zusätzliche Gefahr, wie (Versuche) solcher Regelungen in einigen Bundesländern bereits gezeigt haben.
Zentraler Punkt bleibt aber die weite Öffnung des TKG mit automatischer Schnittstelle und ohne Richtervorbehalt, die in die Grundrechte (Postgeheimnis, informationelle Selbstbestimmung) eingreift.
Deshalb bleibt die Forderung an die Bundesländer auf Ablehnung des Gesetzes aktuell!
Dafür werden wir auch am nächsten Protesttag, dem kommenden Samstag, den 27.4. wieder demonstrieren.
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Tags: #FsaMitteilung #Aktivitaet #Spezialgesetz #Polizei #Verfassungsschutz #TKG #Bundesrat #Bestandsdaten #VDS
Erstellt: 2013-04-21 09:26:05 Aufrufe: 3391
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