20.10.2014 Forum Privatheit

Privatheit und selbstbestimmtes Leben

Symposium: Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt | 20. Okt. 2014 | Berlin

Einige Monate nach Projektstart hat sich das von Bildungsministerin Wanka initiierte Projekt heute mit seinen vielen Facetten der Öffentlichkeit präsentiert. Aktion Freiheit statt Angst war mit 2 Aktiven bei dem Treffen dabei.

In ihrem Eingangsstatement hat die Bildungsministerin erstmals auch auf die Risiken neuer Anwendungen im Internet hingewiesen. Diese möchte sie genauer untersuchen und zurückdrängen, um die Privatheit der Menschen zu schützen.

Der Verfassungsrichter a.D., Prof Hoffmann-Reim, einer der "Erfinder" unseres Grundrechts auf "Integrität informationstechnischer Systeme" las in seiner Rede den staatlichen Organen die Leviten. Wir haben es inzwischen mit einem Präventionsstaat zu tun, der Ermittlungen auch schon bei "Vorverdacht" und auch mittels Rasterfahndung durchführt.

Beim Geheimdienst-Skandal haben wir es mit einem totalen Versagen der Regierung zu tun, die nichts tut, um die Privatsphäre der Bürger wieder herzustellen. Auch das Handeln deutscher Geheimdienste. insbesondere des BND sieht er rechtlich nicht gedeckt. Der BND hat sich aus dem G-10 Gesetz "Aufgaben" abgeleitet, die Befugnisbegrenzung, die die Grundrechte (für alle Menschen, nicht nur für Deutsche) garantieren und die auch das G-10 Gesetz nennt, aber einfach missachtet. 

Auch vor der wirtschaftlichen Macht der Big-5, Google, Facebook, Microsoft, Apple und Amazon, ist der Staat als Schutz für den Bürger ins Abseits gedrängt worden. Diese verletzen unsere Grundrechte in einer Form, wie es der Staat nie dürfte, ohne massiven Widerstand zu befürchten. Die Big-5 sind dabei das Marktverhalten und gesellschaftliche und politische Einstellungen der Menschen zu steuern. Er verurteilt in diesem Zusammenhang auch den Glauben von Wirtschaftsminister Gabriel an das deutsche und europäische Kartellrecht.

Seine Forderungen und Ziele, auch des Projekt "Privatheit", sollten sein:

  • Es muss wieder deutlich werden, dass der Staat die Aufgabe hat Freiheit zu schützen,
  • das Grundrecht auf "Integrität informationstechnischer Systeme" wieder herzustellen,
  • die Fähigkeit der Bürger zur Durchsetzung ihrer informationellen Selbstbestimmung zu unterstützen.

Diese Aufgaben hat er auch genau und konkret zusätzlich zu Artikel GG 1.1 und 2.1 aus den Artikeln GG 87f (angemessene Infrastruktur) und GG 99 (Kommunikation von Bund und Ländern) hergeleitet.

Der Schriftsteller und Wiener Jounalist Marc Elsberg ging tiefer auf die wirtschaftliche Macht  der Big-5 ein und berichtete über beängstigende Experimente von Facebook aus dem Jahr 2012, die Emotionen von Nutzern zu steuern: "Lass sie denken, es wäre ihre Idee".

In diesem Zusammenhang sprach er von der Aufgabe demokratischer Rechte durch eine "nichtpysische Geistleibeigenschaft" in die wir uns begeben haben. Google und Facebook entscheiden heute Wahlen und wir sind die Marionetten von Algorithmen. Er verwies dabei auf den Nachrichtendienst "DailyMe", der einem genau die Nachrichten präsentiert, die in das eigene Weltbild passen und damit jede Auseinandersetzung überflüssig machen.

Der Projektleiter, Peter Zoche, verwies auf das gewachsene Interesse der Menschen, mehr über Möglichkeiten zur Überwindung der Überwachung zu erfahren. So hatte das Projekt bei einer Anti-PRISM-Party am 11.10. über 600 Besucher.

Die stellvertretende Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein und des ULD, Marit Hansen, erwartet von dem Projekt, das es etwas konkret Nutzbares für die Menschen liefert.

Die ethische Perspektive wurde ebenfalls beleuchtet und klar gestellt, dass die Grundfrage lautet: Wie wollen wir leben? Transparenz ist für Demokratie eine Grundbedingung, aber sie muss symmetrisch sein (und darf die Big-5 oder die Geheimdienste nicht bevorteilen). Die andere Grundbedingung für Demokratie ist Privatheit als Grenzziehung zu anderen.

Erste Untersuchungen über den Bewußtseinswandel der Menschen nach den Snowden Enthüllungen lieferte die Kommunikationswissenschaftlerin und Medienpsychologin, Prof. Sabine Trepte. So konnte sie feststellen
    2011    2014    von den Befragten
    30%        15%        haben kein Problem mit der Nutzung ihrer persönlichen Daten,
    64%        34%        sehen keine Möglichkeit als ihre Daten im Internet preis zu geben,
    70%        30%        meinen die Preisgabe von persönlichen Daten im Internet sei "üblich".

97% halten Datenschutz für sehr wichtig, 91% würden ihn als Verfassungsrang sehen. Nur 37% halten Überwachung bei Verdacht für gerechtfertigt, nur 6,5% wollen, dass alle überwacht werden. 94% wollen über die Verwendung ihrer Daten selbst bestimmen. Sie bestätigte aber auch, dass Wunsch und Verhalten im Internet auseinander gehen und verwies u.a. auf die Studie einer Ethnologin aus Leipzig.

Prof. Alexander Rossnagel stellte die Grundrechte noch einmal zusammen, die uns (eigentlich) Schutz bieten müssten:
gegen unerwünschte Datenverarbeitung

  • GG Artikel 2.1 und 1.1, aus denen sich die informationelle Selbstbestimmung ableitet
  • GG Artikel 7 und 8, aus denen sich der Schutz des Privatlebens und der Datenschutz ableiten

gegen Eindringen und Manipulation

  • GG Artikel 2.1 und 1.1, aus denen 2008 das BVerfG das Grundrecht auf Integrität informationstechnischer Systeme abgeleitet hat,
  • die Urteile des BVerfG und des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung, die jede "anlasslose, dauerhafte, flächendeckende Überwachung" verbieten.

Das alles sollte genügen, um uns beim Kampf gegen umfassende Überwachung und Manipulation Hilfe zu sein. Bisher fehlte der politische Wille für entsprechende Aktivitäten. Mag das "Forum Privatheit" dazu ein erster Schritt sein.

Für Aktion Freiheit statt Angst ist die gerade angelaufene Kampagne "For your eyes only - Ein Projekt für mehr Sicherheit beim Online-Shopping" ebenfalls ein Beitrag zur Unterstützung der Privatheit.

Die Webseite des Forums Privatheit https://www.forum-privatheit.de/forum-privatheit-de/index.php


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Kommentar: RE: 20141020 Forum Privatheit

Das ist ja wie mit Ebola (5 Mio zum Helfen und 100 Mio zum Töten). Auf dem gleichzeitig stattfindenden IT Gipfel in Hamburg hat die Kanzlerin 50 Mio an die IT-Industrie verteilt, während in Berlin für die Privatheit 6 Mio locker gemacht wurden.

Wenigstens  musste die Kanzlerin den Protest der Anwälte gegen Totalüberwachung über sich ergehen lassen. Aus ihrer Pressemitteilung: 

Die Polizei erlaubte uns, unmittelbar am Eingangsportal der Hamburger Handelskammer zu demonstrieren, sodass die Bundeskanzlerin bei ihrer Ankunft um 13 Uhr unmittelbar an uns vorbeigehen musste. Wir haben dies dazu genutzt, der Kanzlerin unsere Parole „Aussitzen ist Beihilfe!" mit auf den Weg zu geben und den Medien Interviews zu geben. Sogar das Wetter war uns wohl gesonnen, da der starke Regen erst zum Ende der Versammlung einsetzte.

Wir hoffen hiermit ein kleines, aber wahrnehmbares Zeichen dafür gesetzt zu haben, dass unsere Bürgerrechte und Demokratie mit Taten - und nicht mit Alibi-Veranstaltungen - verteidigt werden muss.

Wir fordern weiterhin Aufklärung von der Bundesregierung sowie eine komplette Revision des G-10-Gesetzes. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der mutmaßlichen eigenen Grundverletzungen im Rahmen des BND-Programms „Eikonal“: BND und NSA sollen nach einem Bericht der „SZ“ 2004 ein gemeinsames Abkommen zur Abschöpfung des Internetknotens DeCix in Frankfurt mit Hilfe der Deutschen Telekom AG geschlossen haben. Grundrechtsverletzungen deutscher Bürger sollen dabei mangels sicherer Filter billigend in Kauf genommen worden sein (http://www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienste-codewort-eikonal-der-albtraum-der-bundesregierung-1.2157432).

Vertrauliche Kommunikation und Privatsphäre sind weltweit anerkannte Menschenrechte, welche durch anlasslose Massenüberwachung verletzt werden: https://firstlook.org/theintercept/2014/10/15/un-investigator-report-condemns-mass-surveillance/

Foto: https://rechtsanwaelte-gegen-totalueberwachung.de/media/filer_public/89/6e/896ee283-2884-4cb2-af76-ec1957d54c10/it-gipfel.jpeg

Jochen, 24.10.2014 19:32


 RE: 20141020 Forum Privatheit

Ebenso schlimm ist die Dummheit unserer Politiker, die (auch) auf diesem IT-Gipfel verzapft wurde. Hier Muttis Highlights:

"Die ganz großen Fragen nach der Netzneutralität werden sich stellen, wenn wir ziemlich große Bandbreiten haben, die mit Glasfaserkabeln natürlich zur Verfügung stehen"

Netzneutralität nur für Reiche mit entsprechender Bandbreite ????????

"Jede Bandbreite unter 50 MBit/s ist eine Bandbreite, da lohnt es sich auch nicht richtig, über das fahrerlose Auto zu sprechen oder die große telemedizinische Operation oder eine große logistische Herausforderung"

???? wie auch immer, Millionen in Deutschland haben viel weniger als die 50Mb/s !!!

"Mit Sicherheit ist die völlige Regulierungslosigkeit in der digitalen Welt nicht die den Menschen gemäße Antwort"

Regulierungslosigkeit  in Deutschland bei TKG, Anti-Terror-Gesetzen, Großem Lauschangriff,  7-Tage VDS, BND-Abhörpraxis,  ... ??????????

Datenschutzstandards sollten möglichst auch im europäischen Raum gelten, "auf der anderen Seite müssen wir es ermöglichen, dass das Management von Big Data möglich ist"

Jetzt wissen wir endlich warum Deutschland die seit 3 Jahren praktisch fertige europäische Datengrundverordnung  (mit anderen Staaten) blockiert !!!!

"Und jetzt müssen wir uns fragen: Wollen wir sehr viel Geld investieren, um bei more Moore wieder vorne mit dabei zu sein, oder aber machen wir auf der Basis von Moore mehr, also more for more."

?????????????? Häh ?????????

Weniger Mutti wäre schöner! (Quelle u.a. http://www.golem.de/news/merkel-auf-it-gipfel-netzneutralitaet-wird-erst-im-glasfasernetz-wichtig-1410-109992.html )

Josef, 25.10.2014, 21:34


 


Kategorie[26]: Verbraucher- & ArbeitnehmerInnen-Datenschutz Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/2md
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Erstellt: 2014-10-20 18:25:33
Aufrufe: 17331

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